Fassungslos und voller Zorn mussten wir am Abend des 22. September entdecken, dass die »Große Friedensfrau« von Berndt Wilde erneut einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Auch zwei weitere Skulpturen wurden angegriffen.


Seit dem Sommer 2019 prägte die »Große Friedensfrau« das Gesicht des Boulevards. Zwei Jahre später, kurz vor Ende der Lizenzfrist, wurde sie am 26. September 2021 zum ersten Mal von Unbekannt zerstört-. Die Täter konnten nie ermittelt werden.
Eine Katastrophe für uns alle, besonders aber für den Bildhauer Berndt Wilde, der lange Zeit brauchte, um den damals schon brachialen Angriff zu verkraften.
Erst ein erfolgreicher Spendenaufruf des Skulpturen Boulevard e.V. und der Galerie 47 (Birkenwerder), der 2022 im Ergebnis alle Erwartungen übertraf, sowie viele Solidaritätsbekundungen aus Birkenwerder, Berlin und darüber hinaus bewogen schließlich den Künstler , aus den Bruchstücken die Friedensfrau neu zu errichten.


In einer feierlichen Zeremonie vor vielen Kunstfreunden und in Anwesenheit des Bürgermeisters von Hohen NeuendorfS führte Berndt Wilde die Skulptur im Juni 2024 zurück auf denBoulevard und überließ sie der Stadt als mahnende Dauerleihgabe.


Erkennbar verletzt, aber aufrecht, stand die Skulptur seitdem für das gemeinsame Bekenntnis unserer Stadtgesellschaft zu Kunst im öffentlichen Raum , ergänzt durch ein großes Informationsschild, auf dem die damalige Zerstörung dokumentiert wurde.

Und nun diese zweite schlimme Tat. Ein Generalangriff auf die Seele des Skulpturen Boulevards, auf den Künstler, auf den Verein, und letztlich auf die gesamte Stadtgemeinschaft ! Für uns alle mit noch nicht abzusehenden Folgen.
Wie schaffen es Menschen, im Angesicht der ersten Katastrophe, gegen die wunderbar restaurierte Figur ein zweites Mal Gewalt anzuwenden?
Kurator Roland Matticzk geht davon aus, dass nur mit enormen Druck gegen die Skulptur der Stein ins Schwanken gebracht werden konnte. Begünstigt durch die kleine Standfläche und das hohe Materialgewicht kam es wohl dann zu einer Hebelwirkung, die das inliegende vertikale Stahlrohr wie Butter gebogen hat und die Figur zum Einsturz brachte. So ein Desaster passiert nicht eben mal so, etwa durch Anlehnen oder ein wenig Rütteln. Hier war gezielte, gewaltige kriminelle Energie am Werk, von mehr als einer Person.
Gewalt gegen Kunstwerke beschädigt nicht nur Material sondern die Allgemeinschaft. In erster Linie natürlich den gestaltenden Künstler, aber genauso all die Menschen, die aus der Begegnung mit Kunst Freude und Energie ziehen. Vandalismus zerstört Hoffnungen, zerstört kulturellen Zusammenhalt.



Die große Friedensfrau war nicht das einzige Opfer an diesem Tag. Auf Birkenwerderseite wurde der Sumoringer der Japanerin Nanako Shikata bereits zum dritten Mal samt Sockel den Abhang herunter gestoßen. Und an der B 96, am Eingang zum Boulevard, demolierten die Täter die bedeutungsschwere Installation »Weltschmerz« des französischen Künstlers Stéphane Lallemand, einen Rettungsring aus Beton.
Der Skulpturen Boulevard versteht sich als unideologischer und friedlicher Ort der Begegnung. Die Anschläge vom 22. September 2025 wirken daher wie ein Generalangriff auf die Idee dieses Kulturprojekts.
Was nun. Was tun.
Den Vandalismus an sich aber werden wir kaum verhindern können, den randalierenden Tätern sind Kunst-Werke und Kunst-Werte egal.
Womöglich hat sich nie in ihrem Leben eine Tür, ein persönlicher Zugang zur Kunst geöffnet. Wenn es um Prävention geht, dann bietet paradoxerweise gerade der angegriffene Skulpturen Boulevard beste Möglichkeiten, Kunst verstehen zu lernen. Zum Beispiel bei Führungen erfahren Besucher von den interessanten Geschichten und Menschen hinter den Kunstwerken, erhalten die Skulpturen eine Biografie, ein Gesicht.
Die Kommunen sollten daher den Verein bei unseren Angeboten für Führungen und Gesprächsrunden kommunikativ und finanziell unterstützen. Wichtig wäre der Dialog mit Besuchern aus Schulen, Jugend- und Bildungszentren. In der (Meinungs-)bildung und im permanenten Austausch mit dem Publikum sehen wir die beste und für öffentlich ausgestellte Kunst womöglich einzige Chance der Prävention.
Vor allem in den jährlichen Kunstfesten sehen wir viel Potenzial für Vertrauensbildung. Die Stadt aber hat leider dieses Jahr bei der Festgestaltung durch Ausschluss der Boulevard-Künstler und des Vereins diese Möglichkeit liegen gelassen.